Man hört immer häufiger von Ina Bruchlos ...

Hör- und Leseproben zwischen Galerien und Kartoffeln

 


Auch wenn der Alltag mal grau ist: Die Malerin Ina Bruchlos bringt stets Farbe hinein - und wiederholt sich dabei nie. Jedenfalls schreibt sie davon. Und offenbart so ganz nebenher, dass sie in Wirklichkeit doch eine Wiederholungstäterin ist ...

Das ist einmalig und ehrlich. Deshalb sollten Sie das immer wieder nachlesen. Und sich immer wieder selber anhören: Hier als kurze Probe oder auf einer der vielen Lesungen, die Ina Bruchlos immer wieder bundesweit gibt.

Allerdings ist Nennt mich nicht Polke! ebenso erstmalig wie Mittwochskartoffeln - beide Bände mit Kurzerzählungen von Ina Bruchlos erschienen erstmals im Nachttischbuch-Verlag. Inzwischen gibt es drei weitere Bände im tollen Verlag Minimal Trash Art, dem wir hiermit herzlich zu dieser wunderbaren Autorin gratulieren.
 

 

"Ich wiederhole mich nicht!"

So beginnt "Mittwochskartoffeln. Reloaded":


"Mein Lektor meinte, ich solle für dies zweite Buch die Geschichte "Mittwochskartoffeln" aus dem ersten doch noch einmal überarbeiten. Die habe der Verlegerin besonders gut gefallen. Ich sagte Ich wiederhole mich nicht und hatte in diesem kurzen Satz gleich zweimal gelogen. Ich wiederhole mich ständig, denn wenn ich etwas liebe, dann sind das Wiederholungen, ich habe ein derart inniges Verhältnis zu Wiederholungen, dass ich mich sogar beim Thema Wiederholung wiederhole, so wie Thomas Bernhard sich pausenlos wiederholte und ich die belanglosesten Dinge wiederholen kann, bis mein Gegenüber fünf Finger hochhält, was mich überhaupt nicht interessiert, und ich die Geschichte zum sechsten Mal erzähle und denke, soll er doch beide Hände hochhalten und die Finger seiner Nachbarn. Ich sagte Ich wiederhole mich nicht, aber das sagte ich schon.

Die zweite Lüge ist, dass ich diesen Satz gar nicht gesagt habe, ich sagte überhaupt nicht Ich wiederhole mich nicht, ich sagte vielmehr Gut, so wie ich immer zu Aufforderungen gut sage, nicht weil ich die Idee gut finde, sondern weil ich mich gerne wiederhole, weil gut zu meinem aktiven Wortschatz gehört und schlecht nicht, weil ich immer lüge, ein Wiederholungslügner bin, der immer gut sagt, wenn die Dinge gar nicht gut sind, manchmal gut sind und ich deshalb auch nur manchmal lüge, also gar nicht stets und ständig - zum Glück, ein Situationslügner bin, was mich für die Umwelt unberechenbar macht."

"Gut", sagte Ina Bruchlos - und es wurde richtig gut ...

Wiederholungen liegen der Hamburger Künstlerin nicht. Deshalb begann sie so:


"Ich sagte Gut, mach ich, und da hatte ich den Ärger, mich wiederholen zu müssen und mein Computer sagte, die damalige Datei mit der Geschichte von den Mittwochskartoffeln existiere bereits und ob ich sie nun ersetzen möchte? Mein Computer ist auch so ein blöder Richtigmacher, der sich nicht wiederholt, der nie lügt. Ich schreibe Mach, was ich sage, und er sagt Ich glaube, Sie möchten einen Brief schreiben. Rechtschaffen, aber dumm.

Bei meiner Freundin gab es mittwochs stets Kartoffeln. Sie mochte keine Kartoffeln, aber ihre Mutter meinte, sie solle sie trotzdem essen, vielleicht möge sie sie ja diesmal.
Ein leicht durchschaubarer Muttertrick und ein krasser Widerspruch zum Sinn von Wiederholungen. Schließlich wiederholt man Dinge, weil man sie besonders mag, nicht weil man sie hasst. Würde man Dinge wiederholen, die man hasst, wäre man zwanghaft. Kinder sind dagegen selten zwanghaft, sie sind höchstens zwanghaft dagegen, zwanghaft gegen Kartoffeln. Aber wiederholen, freiwillig wiederholen tut man in der Regel Dinge, die man mag, so wie ich meine Tage immer in der Küche beginne und daraus schließe, dass ich unsere Küche mehr mag als die anderen Räume, die Küche mein wahrer Lieblingsplatz, was ich so nie denken würde, aber da ich es automatisch tue, mich immer zuerst in die Küche setze, scheine ich an der Küche einen besonderen Gefallen gefunden zu haben.

Ich bin kein Psychologe, die Verlegerin ist Psychologin. Ich glaube jedenfalls fest daran, dass in jener mütterlichen Form der Erziehung das Bedürfnis des Menschen verankert ist, jeden Tag ins Büro zu wollen. Die Verlegerin strebt allmorgendlich ins Büro. Natürlich will der Mensch das von sich aus nicht, aber noch weniger will er etwas anderes tun. Sagte ein Arbeitgeber Heute gehen Sie mal ins Büro und morgen finden Sie mir die Nord-West Passage, würde der Mitarbeiter weinen und sagen Aber da schneit es doch, oder Da steckt man mit dem Schiff fest und wird nie gefunden.

Ich würde sagen: Aber die wurde doch schon gefunden, ich suche nichts, was jemand anderes schon gefunden hat. Ich wiederhole nicht. Und meine Mutter würde antworten, dass es mein Problem sei, ausgerechnet Autoritätspersonen immer so neunmalklug daherzukommen. So warst Du schon immer. Statt einfach zu sagen: Gut, mach ich. Und obwohl ich sonst gerne sage Gut, geht in Ordnung, sagte ich zu meiner Mutter Gut, Du hast recht, und log damit zum dreißigsten Mal an diesem Tag."

Es kann noch schlimmer und noch schöner kommen. Das und vieles andere Besinnliche können Sie in den amüsanten Kurzgeschichtensammlungen "Nennt mich nicht Polke!" und "Mittwochskartoffeln" von Ina Bruchlos nachlesen!



Ina Bruchlos liest aus ihren wunderbaren Erzählungen vor:


Einige der ebenso heiteren wie tiefgründigen Texte von Ina Bruchlos können Sie zudem - für Sie kostenfrei - auf den Internetseiten mit "Weblesungen" der Kulturbehörde Hamburg hören:

Und Sie können sich auch den Mitschnitt einer Lesung mit Ina Bruchlos ansehen:



Aktuelle Lesung: Am 12. März 2020, 19 Uhr in der
HASPA, Sand 1 in 21073 HH-S3-Bahn-Rathaus. Der Eintritt ist frei. Um Spenden wird gebeten.

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