2025/03/21
Zunächst und stets ohne DruckJahrelang suchte Christoph Heemann einen Verlag, der seine einsame und einfühlsame Lyrik veröffentlichte. Er ließ nicht nach. Er schrieb - trotz Absagen - weiterhin seine intensiven Gedichte, zwar ungedruckt - aber ohne Druck.
Auch der Nachttischbuch-Verlag zögerte aus nichtigen finanziellen Gründen ("Wer kauft denn noch Gedichte?") und veröffentlichte in 2007 zunächst online nur Auszüge aus einem Heinrich-Manuskript monatelang auf der eigens geschaffenen Website "Ohne Druck". Paul Heinrich war zufrieden. Allerdings gingen im Verlag nach der Online-Präsentation Anfragen ein, warum denn dieser wunderbare Autor nicht gedruckt würde ... Also wurde er jahrelang verlegt. Aber dann ging es 2024 dem Verlag finanziell nicht mehr gut. Der Druck war zu groß.
Und so gibt es ab 2025 wiederum kein gedrucktes Buch von Christoph Heemann/Paul Heinrich.
Einzelne seiner Texte wurden auf dieser Webseite mit den Jahren zehntausendfach downgeloadet. So wird es hoffentlich mit den fünf Gesamttext-PDFs auch sein...
Christoph Heemann im Nachttischbuch-Verlag
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Christoph Heemann/Paul HeinrichDer Sprachspiegler - zwischen Krieg, Frieden und Gin
Paul Heinrich schrieb seit er ein großes Kind wurde. Man hört dieses lange Erlernen einer ausdrucksstarken Sprache, die weiter wachsen werden musste.
Er wunderte sich über alle Welt, aber nicht die ihm nahen Menschen. Deshalb schrieb er.
Ganz im Sinne Charles Bukowskis war es allerdings für sein Schreiben nie der Anlass. Ob ein Verlag interessiert wäre oder nicht - das hat ihn nie gehindert.
Eine andere, lyrische Form der alltäglichen Tragik
Geboren 1969 im Westfälischen nahe Tecklenburg. Mit zwölf, dreizehn Jahren begann Chrsitoph zu schreiben, erinnerte er sich. Nach Abitur und Wanderjahren in Kiel und Osnabrück fühlte er sich nur am Schreibtisch zu Hause.
Neben dem einsamen Schreiben hat ihn immer "das Soziale", wie andere abschätzig sagten, beschäftigt. Und so hat Christoph Heemann seinen Beruf in einem "sozialen Projekt" am Bodensee gefunden.
Mit dem literarischen Schreiben hatte dies scheinbar nicht viel zu tun. Aber mit dem Leben. "Paul Heinrich", so sein Künstlername, hatte nie einen geraden Weg gewollt.
Der Pop-Poet starb überraschend im März 2023.
Wer die Aufs und Abs kennt ...Der Autor im Spiegel seines Schreibens
Wenn die Tage so vergehen und weder Beginn noch Anfang erkennbar scheinen, dann wird für mancheinen der Blick vom Alkohol getrübt. Die Sicht über leere Flaschen hinweg auf die Welt sagt allerdings über das Kleine in der Umgebung weniger als vielmehr über die Kleinheit des Großenganzen. Das muss man nur aussprechen können ohne Lallen - sich und anderen. Paul Heinrich ist einer, der es ohne Gin hochprozentig kann. Seine Gedichte erzählen von der Einsamkeit, die mit dem Gefühl kommt, nicht allein auf der Welt zu sein - auch wenn sich alle anderen so aufführen als wären sie es.
Wer das Hin und Her verneint ...Der Autor auf seinem literarischen Weg
Der erste Gedichtband von Paul Heinrich bot eine sprachliche Klarheit, die nicht nur Kritiker begeisterte: inne halten war zwar vordergründig von Kummer und Kater am Mittag geprägt, doch der Halt innen verstörte. Es war keine Innerlichkeitslyrik, sondern feinnervige Abrechnung mit angenehmen Lebenslügen.
Paul Heinrichs Trilogie rundete sich 2010 mit nach Tisch. Darin setzte er die Selbstbetrachtungen der vorangegangenen Bände fort, beispielsweise den Zyklus Loch im Dach überm Kühlschrank. Aber Paul Heinrich ging weiter, noch radikaler nach innen - zu seiner Liebe, seinen Ängsten und Sehnsüchten.
Am Ende allen Hin und HersEine Hommage an Kaspar Hauser
Nach seiner Trilogie suchte Paul Heinrich weitere sprachliche und gedankliche Klarheit, die er bei seinem Begleiter seit jungen Jahren fand: Hauser.
Doch anders als in seinen vorangegangenen Gedichten suchte Paul Heinrich das verstörend andere auch in der großen Geschichte - der Gedichtband enthält so eine kurze Aufführung der Fakten, die die "bekannten Jahre" Hausers grob, aber treffend umgreifen.
Kaum eine andere Person der deutschen Geschichte birgt so viele Geheimnisse wie das weltbekannte Findelkind Kaspar Hauser. Paul Heinrich begann seine Spurensuche daher bei uns Lesern:
Paul Heinrichs Trilogie rundete sich 2010 mit nach Tisch. Nun sah er allerdings nach, was denn da beispielsweise "vom Tisch gewischt" wurde.
Denn nur wenige Biographien sind so überstrahlt und verklärt von schrecklichen Vorkommnissen und ungenauen Überlieferungen, ja möglicherweise sogar böswilligen Verformungen wie die kurze Lebensgeschichte von Kaspar Hauser.
Hauser wurde 1812 geboren, verstarb jedoch wenige Tage später. Doch nach sechzehn Jahren tauchte ein Knabe auf, der der Thronfolger des badischen Fürstenhauses hätte sein können - und damit ein bedeutsamer Herrscher im nicht nur seinerzeit instabilen Europa. Dieser Findling wurde umfassend untersucht, ehrfürchtig erzogen und so für kurze Zeit ins Leben der damaligen Zeit geführt. Doch schon bald starb er an Stichwunden - ob es Mord war oder Selbstmord, ist strittig wie alles andere.
Paul Heinrich nahm in Hauser die Fäden seiner Trilogie auf, indem er sich dem Mythos vom "Wolfskind" von vielen Seiten näherte und dabei nicht vergaß, dass wir zu wenig Antworten kennen, um Fragen auch nach zweihundert Jahren zu ignorieren.
Paul Heinrich schrieb somit (auf Seite 64):
Am Ende bleibt nur der Anfang ...Eine Hommage an die Liebe und das Leben
Nach seiner Gedicht-Trilogie mit den Buchtiteln inne halten, tellerrandwärts und nach Tisch suchte Paul Heinrich weitere sprachliche und gedankliche Klarheit, die er bei seinen Begleitern in der Musik und an seiner Seite jahrelang fand - und doch vermisste. Denn sie zogen fort oder verstarben oder wurden Teil einer endlosen Plattensammlung.
Doch anders als in seinen vorangegangenen Gedichten mit den sehnsuchtsvoll wiederkehrenden Leitmotiven, suchte Paul Heinrich das Verstörende im Alltag (das uns so unruhig macht) vor allem bei sich selbst - und dem oft unmerklichen Wandel der Dinge und der Zeit, die nun in anderem Lichte scheint: gegen Mittag.
Die Tage wollen anders bewältigt werden. Paul Heinrich begann seine Gedankengänge bei uns Lesern:
Am Ende allen Hin und HersEin Nachruf auf Christoph Heemann
Der Nachttischbuch-Autor "Paul Heinrich", mit bürgerlichem Namen Christoph Heemann, starb am 11. März 2023.
Christoph Heemann schrieb gerade, wenn ihm Worte abhanden zu kommen drohten.
Dann hörte er nicht mehr auf die Versprechungen und Hoffnungen anderer, auf all das Wortgesurre. Er summte eine andere Melodie.
Sein Schreiben wird fehlen. |