2025/03/21
Veröffentlichungen & Vorträge
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Antje HadlerDie stille Muse
Keineswegs, weil ihr die Worte fehlten. Oder sie nicht sicher sei, ob das Geschriebene das bereits hier und da Gesagte überdauern würde.
Im Gegenteil.
Es war ihre Sorgfalt, es möglichst richtiger zu machen (als es ihr selber anfangs zu sein schien).
Sowas nervte andere, zumal in flüchtiger Zeit. Sie aber nahm sich diese in allem, was sie tat.
Dabei bewahrte sie sich stets ihren Humor, der ansteckte.
Viele Freunde und Bekannte erkannten (selbst in großen Räumen ohne direkte Sicht), dass sie schon "da" war - weil ihr Sopran-Lachen angenehm im Stimmengesummse hallte.
Was sie nicht mal ahnte...
Antje Hadler lernte während ihres klassischen Psychologie-Studiums von ihren Professores wie Reinhard und Anne-Marie Tausch, von Inghard Langer und Friedemann Schulz von Thun das Unabsehbare des Alltags mit zu denken.
Sie hospitierte vor dem Studien-Ende immer wieder in Italien, das eine "Psychiatrie-Reform" radikal startete (während in Deutschland seelische Krankheiten teils noch als Verschluss-Sachen "behandelt" wurden - unter anderem mit "Chemie-Keulen" sowie den Einsatz von "Elektroschocks").
Als (inzwischen selten gewordene) C3-Professorin für Organisationspsychologie an der Hochschule des Bundes ab 1995 "scheiterte" sie (nach ihrem eigenen Verständnis) in 25 quälend langen Jahren dann an der - in Deutschland mühelos akzeptierten - völligen Inkompetenz, die brutale Ignoranz als scheinbar harmloses "Verwaltungshandeln" einstaubte. Weiteres zu ihrem Lebensweg erfahren Sie auf der offiziellen Website.
Sie veröffentlichte mit Kolleginnen aus anderen Hochschulen zwar jahrelang noch zur offenkundigen Diskriminierung von Frauen. Aber in der chauvinistischen Blase ihres Umfeldes voller Bürohengste verpuffte alles, was nicht dem neo-liberalen, also keinem "Weltbild" (sowie mangelnder Weitsicht!) entsprach, sondern fachlich offenkundiger Dummheit.
Deshalb half sie 2004 u. a. mit, den Nachttischbuch-Verlag zu gründen, mit all ihrem Wissen, ihrer internationalen Erfahrung und auch - nicht zuletzt - mit ihrem Ersparten.
Ihre Idee war - neben vielen wundervollen Geschichten, die sie nur für sich aufschrieb und mit wundervollen Illustrationen ausformte - eines Tages vielleicht so viel Geld damit zu verdienen, dass Frauen ungeschönt und ohne Verwertungszwang von sich und ihrem deprimierenden Berufserfahrungen oder alternativen Lebensmodellen berichten könnten.
Für ihre Berufsausübung hatte sie sich mit eigenen Mitteln in ihrem Büro eine große Bibliothek zur raschen unbürokratischen Nutzung aufgebaut. Denn die offizielle "Bibliothek" der Hochschule kaufte mit angelernten Miatarbeiter viel Quatsch an.
Nach ihrem Tod katologisierte die Hochschule des Bundes diese Sammlung in ihrem verschlossenen Dienstraum nicht einmal. Sie wollte sie auch nicht mal geschenkt haben, sondern lieber "fachgerecht entsorgen".
Wenn es nicht so traurig und Antje Hadler nicht tot wäre, würde sie vielleicht sogar lachen über diejenigen, die noch früher als sie (nämlich untätig "im Dienst" an ihren Schreibtischen) starben statt Bücher einfach zu verbrennen.
Ihr Bedauern hielte sich allerdings vermutlich in Grenzen.
Aber es würde diesen amtlichen Verweigerern auch mehr zeigen als es denjenigen lieb wäre, die die bundesdeutschen "Sozialsysteme" und damit den demokratischen Bestandkern der Gesellschaft als parlamentarisch oder politisch Verantwortliche komplett auf- und abgaben an windige Provinz-Profiteure der profitablen "Privat-Vorsorge".
Der Gang in die "Hauptstadt"...
Antje Hadler war bedacht bei all ihren Entscheidungen. Dann aber leidenschaftlich in der Umsetzung. Sorgsam las sie eingesandte Manuskripte, lektorierte und steuerte hier und da Illustrationen bei. Oder - wenn es sein musste - das gesamte Layout eines Buches.
Seit den Achtzigerjahren hatte die Tochter des Gebrauchsgraphikers Winfried Hadler nebenberuflich für Rowohlt, Eichborn und andere Cartoons gezeichnet. Ihre Karikaturen (beispielsweise mit "Männerbildern") wurden ausgestellt.
Mit der schmuddeligen Hauptstadt, ihren derben Bewohnern und den eitlen Kolleg*innen wurde die elbtreue Hamburgerin nie richtig warm. Es war ihr fachlich ohnehin zu seicht und vergeblich, methodisch zu unterbelichtet und im Stil jenseitig.
Ein anderes Leben...
Den Verlag hatte sie da hinter sich gelassen, aber nicht verlassen. Sie holte gleichwohl immer noch Autoren (wie den legendären Christoph Buggert) ins Programm, mit beschwingendem Vergnügen und ihrem sicheren Geschmack.
Antje Hadler wollte sich aber fortan "wieder mehr engagieren" – anders und doch wie gewohnt. So wie in den Siebzigerjahren: Damals beispielsweise in einer Bürgerinitiative gegen eine noch von Nazis geplante Stadtautobahn durch Hamburg-Harburg, auch gegen die vorgeblich sozialdemokratische, aber "wirtschaftsliberale" völlige Zerstörung der Elbdörfer Altenwerder und Moorburg mit Elbschlick und Containern.
Diese Kais brachten kaum "Arbeit", sondern vielmehr Begehrlichkeiten von Chinesen. Munter wurde an sie verscherbelt, wofür die Einwohner von Verwaltung und SPD-Senat mit Betrug und Druck vertrieben worden waren.
Vielleicht würde sie, die wunderbare Köchin, wieder mit einer Lebensmittelkooperative "anders leben" gestalten, die regionale Nahrungssicherheit ökologisch formen helfen wie schon Anfang der Achtzigerjahre...
Da halfen inzwischen keine grünen Karrieristen, die sie verabscheute (ohne Bildung, aber mit trampoliner Geltungssucht, hübsch frisierten Biographien und Plagiaten).
Doch mehrere teils langwierige Erkrankungen und zermürbene Behandlungen sowie der fortdauernde Stress mit einer inkompetenten Verwaltung (die beispielsweise nicht in der Lage war, "freie" Stellen für mithelfende Kolleg*Innen zu besetzen) sowie die einsame Weiterarbeit im Vakuum der Dummigkeiten (z.B. die luxuriösen Wiederholungen von geschwänzten oder verdattelten Prüfungen für selbstverliebte Trottel*innen auf Kosten der Professor*innen), brachten sie zeitlich nach und nach von diesem Weg ab.
Schließlich kam 2019 die Diagnose eines Ovarialkarzinoms dazu, eine Krebserkrankung, die das Bundesgesundheitsministerium seit langem mit einer Asbestbelastung in Zusammenhang sah - was die Deutsche Rentenversicherung (als ein formaler Arbeitgeber der FH Bund) nicht davon abhielt, im Dienstgebäude der Hochschule während des laufenden Betriebs das Asbest "zu sanieren"... Ergebnisse der übrig gebeliebenen "Asbestbelastung" legte sie "nach der Sanierung" bis heute nicht vor.
Sie erlag unter Schmerzen und hunderten Nadelstichen den Routinen bis hin zur planmäßigen Ignoranz. Und einem Krankensystem, das "marktwirtschaftlich" auf "Fall-Pauschalen" setzt und damit Krankheit und Tod als lohnend für Investoren fördert, aber Sorgfalt und Forschung offenbar verkümmern lässt. Von der Würde des Menschen ganz zu schweigen.
Antje Hadler starb am 22. März 2021 plötzlich in einem evangelischen Hospiz in Halensee, obwohl zwei Tage zuvor noch eine weitere Chemo-Therapie vorbereitet worden war - nachdem eine katholische Palliativstation im Tiergarten-Bezirk ihr leidendes Leben wochenlang zusätzlich zu einer Hölle gemacht hatte.
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