Die Verlegerin Prof. Dr. Antje Hadler starb am 22. März 2021

 

 


Sie gab 2003 den entscheidenden Impuls zur Gründung des Nachttischbuch-Verlags – und, großherzig wie immer, auch noch das notwendige Startkapital für ein Büro in Berlin und die digitale Technik.


 

Die ehemalige Nachttischbuch-Verlgerin Antje Hadler ist tot. Im Nachttischbuch-Verlag erschienen einige ihrer Essays.

Verlegerin Hadler, Autoren Jogschies und Hasenfuß bei einer Lesung

Antje Hadler war bedacht bei all ihren Entscheidungen. Dann aber leidenschaftlich in der Umsetzung. Sorgsam las sie eingesandte Manuskripte, lektorierte und steuerte hier und da Illustrationen bei. Oder, wenn es sein musste, das gesamte Layout eines Buches. Weiteres hier...

 

Seit den Achtzigerjahren hatte die Tochter des Gebrauchsgraphikers Winfried Hadler nebenberuflich für Rowohlt, Eichborn und andere Cartoons gezeichnet. Ihre Karikaturen (beispielsweise mit "Männerbildern") wurden ausgestellt.


Ihr Beruf als diplomierte Psychologin (zunächst in einer Klinik und vier Jahre in einer psycho-therapeutischen Arztpraxis, sowie später als promovierte Volks- und Betriebwirtin in der Forschung und Lehre an der Bundeswehruniversität Hamburg) war ihr jedoch stets wichtiger.


1995 wechselte die Doktorin rer.pol. der Bundeswehruniversität als Professorin für Organisationspsychologie an die Hochschule des Bundes nach Berlin. Siehe die detailliertere Biographie hier...

 

Mit der schmuddeligen Hauptstadt, ihren derben Bewohnern und den eitlen Kolleg*innen wurde die elbtreue Hamburgerin nie richtig warm. Es war ihr fachlich ohnehin zu seicht und vergeblich, methodisch zu unterbelichtet und im Stil jenseitig.


Sie trug sich nach 25 Dienstjahren mit dem Gedanken, aus der Lehre, die zunehmend von anmaßenden Laien aus der Verwaltung zur Bachelorisierung auf unterstem Niveau verflacht wurde, auszusteigen. Zudem zeigte ihr Arbeitgeber alles andere als Stil und unterminierte wissenschaftliche Standards.

 

 

Ein anderes Leben...

 

Den Verlag hatte sie da  hinter sich gelassen, aber nicht verlassen. Sie holte gleichwohl immer noch Autoren wie den legendären Christoph Buggert ins Programm, mit beschwingendem Vergnügen und ihrem sicheren Geschmack.

 

Antje Hadler wollte sich aber fortan "wieder mehr engagieren" – anders und doch wie gewohnt. So wie in den Siebzigerjahren: Damals beispielsweise in einer Bürgerinitiative gegen eine noch von Nazis geplante Stadtautobahn durch Hamburg-Harburg, auch gegen die vorgeblich sozialdemokratische,  aber "wirtschaftsliberale" völlige Zerstörung der Elbdörfer Altenwerder und Moorburg mit Elbschlick und Containern. Diese Kais brachten kaum "Arbeit", sondern vielmehr Begehrlichkeiten von Chinesen. Munter wurde verscherbelt, wofür die Einwohner von Verwaltung und SPD-Senat mit Betrug und Druck vertrieben worden waren.

 

Vielleicht würde sie, die wunderbare Köchin, wieder mit einer Lebensmittelkooperative "anders leben" gestalten, die regionale Nahrungssicherheit ökologisch formen helfen wie schon Anfang der Achtzigerjahre... Da halfen inzwischen keine grünen Karrieristen, die sie verabscheute (ohne Bildung, aber mit trampoliner Geltungssucht, hübsch frisierten Biographien und Plagiaten).


Ihr Blick fiel dann aber auf die Ein-Dollar-Brille, deren internationales Engagement sie beeindruckte. Sie spendete, wollte später aber zudem praktisch und organisatorisch mithelfen, anderen Menschen das Sehen der Welt zu erleichtern. Und sei es, um besser Lesen zu können...

 

Doch mehrere teils langwierige Erkrankungen und zermürbene Behandlungen sowie der fortdauernde Stress mit einer inkompetenten Verwaltung, die beispielsweise nicht in der Lage war,  freie Stellen für mithelfende Kolleg*innen zu besetzen, sowie die einsame Weiterarbeit im Vakuum der Dummigkeiten (z.B. die luxuriösen Wiederholungen von Prüfungen für selbstverliebte Trottel*innen), brachten sie zeitlich nach und nach von diesem Weg ab.

 

Schließlich kam 2019 die Diagnose eines Ovarialkarzinoms dazu, eine Krebserkrankung, die das Bundesgesundheitsministerium seit langem mit einer Asbestbelastung in Zusammenhang sah - was die Deutsche Rentenversicherung (als ein formaler Arbeitgeber der FH Bund) nicht davon abhielt, im Dienstgebäude der Hochschule während des laufenden Betriebs das Asbest "zu sanieren"... Ergebnisse der übrig gebeliebenen "Asbestbelastung" legte sie "nach der Sanierung" bis heute nicht vor.


Zwei lange Jahre hat sich Antje Hadler trotz ihrer schwindenden Kräfte bemüht, in ihr Leben vor der Diagnose zurückzufinden. Doch totgesparte, "privatisierte" Krankenhäuser und mies aus-, aber stark eingebildetes Personal taten das ihre.

 

Sie erlag unter Schmerzen und hunderten Nadelstichen den Routinen bis hin zur planmäßigen Ignoranz. Und einem Krankensystem, das "marktwirtschaftlich" auf "Fall-Pauschalen" setzt und damit Krankheit und Tod als lohnend für Investoren fördert, aber Sorgfalt und Forschung offenbar verkümmern lässt. Von der Würde des Menschen ganz zu schweigen.

 

Antje Hadler starb am 22. März 2021 plötzlich in einem evangelischen Hospiz, obwohl zwei Tage zuvor noch eine weitere Chemo-Therapie vorbereitet worden war - nachdem eine katholische Palliativstation ihr leidendes Leben wochenlang zu einer Hölle gemacht hatte.


 

Sie hätte noch...

 

Sie hätte vielleicht noch ein Buch über diese erlebte Bigotterie und die Anmaßungen von Ärzten geschrieben, zumal sie während ihres Studiums in Hamburg die Leidensgeschichte des Professor*innen-Paares Reinhard und Anne-Marie Tausch aus der Nähe erlebte.

 

Vielleicht hätte sie es in "ihrem" Nachttischbuch-Verlag veröffentlicht, der nach ihrem Willen stets den Mut haben sollte, auch unpopuläre Themen oder gegen die gängigen Auffassungen zu veröffentlichen. Und Menschen "von ihren Leiden erlösen", "selbstbestimmt sterben", "niemandem zur Last fallen wollen" sind erschreckend populäre Phrasen, unter denen sie leider litt, weil ärztliches und helfendes Personal in Palliativ-"Pflege" und Hospiz sie damit belästigten.

 

Im Sommer/Herbst 2024 erscheinen stattdessen hoffentlich zwei Titel im Nachttischbuch-Verlag, die das einstige Tabu- bzw. das überraschende Mode-Thema Hospiz und "menschenwürdiger Tod" allerdings provokativ (statt wie üblich: scheinbar teilnahmsvoll faselnd) aufgreifen.

 

Antje Hadler, die sich vor Beerdigungsritualen stets wie vor anderer Reglementierungswut gefürchtet hatte, wurde erst drei Wochen nach ihrem Tod beerdigt - weil die Berliner Verwaltung, vorgeblich "wegen Corona", auf manchen Friedhöfen nur an einem Vormittag pro Woche Bestattungen durchführt.

 

Sie wurde von der Verwaltung auf Eis gelegt, wie fast ihr gesamtes Berufsleben.

Im Nachttischbuch-Verlag (Hamburg) erscheinen unbekannte, aber tolle Autoren

NTB-Gründungs-Logo, 2004

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