2023/05/30
Bloß nicht "emotional"?Die Diplom-Pschologin Antje Hadler steuerte 1987 einen Eintrag zu dem Unterschied zwischen Gefühl und Emotion zu der Anthologie "Aus dem neuen Wörterbuch des Unmenschen" (Eichborn-Verlag) bei.
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Die Verlegerin Prof. Dr. Antje Hadler starb am 22. März 2021
Antje Hadler war bedacht bei all ihren Entscheidungen. Dann aber leidenschaftlich in der Umsetzung. Sorgsam las sie eingesandte Manuskripte, lektorierte und steuerte hier und da Illustrationen bei. Ooder, wenn es sein musste, das gesamte Layout eines Buches oder einer Webseite, Weiteres hier...
Denn seit den Achtzigerjahren hatte die Tochter des Gebrauchsgraphikers Winfried Hadler nebenberuflich für Rowohlt, Eichborn und andere, sowie für große Zeitungsverlage Cartoons gezeichnet. Ihre Karikaturen mit "Männerbildern" wurden ausgestellt.
Mit der schmuddeligen Hauptstadt, ihren derben Bewohnern und den eitlen Kolleg*innen wurde die elbtreue Hamburgerin nie richtig warm. Es war ihr fachlich ohnehin zu seicht und vergeblich, methodisch zu unterbelichtet und im Stil jenseitig.
Ein anderes Leben...
Den Verlag hatte sie da längst hinter sich gelassen, aber gleichwohl immer noch Autoren wie den legendären Christoph Buggert ins Programm geholt, mit beschwingendem Vergnügen und ihrem sicheren Geschmack.
Antje Hadler wollte sich fortan "wieder mehr engagieren" – anders und doch wie gewohnt. So wie in den Siebzigerjahren: Damals beispielsweise in einer Bürgerinitiative gegen eine noch von Nazis geplante Stadtautobahn durch Hamburg-Harburg, auch gegen die vorgeblich sozialdemokratische, aber "wirtschaftsliberale" völlige Zerstörung der Elbdörfer Altenwerder und Moorburg mit Elbschlick und Containern. Diese Kais brachten kaum "Arbeit", sondern vielmehr Begehrlichkeiten von Chinesen.
Vielleicht würde sie, die wunderbare Köchin, wieder mit einer Lebensmittelkooperative "anders leben" gestalten, die regionale Nahrungssicherheit ökologisch formen helfen wie schon Anfang der Achtzigerjahre... Da halfen inzwischen keine grünen Karrieristen, die sie verabscheute (ohne Bildung, aber mit trampoliner Geltungssucht, hübsch frisierten Biographien und Plagiaten).
Doch mehrere teils langwierige Erkrankungen und zermürbene Behandlungen sowie der fortdauernde Stress mit einer komplett unfähigen Verwaltung, die freie Stellen für mithelfende Kolleg*innen zu besetzen unfähig war und die Weiterarbeit im Vakuum der Dummigkeiten von andauernden Prüfungswiederholungen für Trottel zur Tortur machten, brachten sie zeitlich nach und nach von diesem gewünschten Weg ab, selber mit anzupacken.
Schließlich kam 2019 die Diagnose eines Ovarialkarzinoms dazu, eine Krebserkrankung, die das Bundesgesundheitsministerium seit langem mit einer Asbestbelastung in Zusammenhang sah - was die Deutsche Rentenversicherung (als ein formaler Arbeitsgeber der FH Bund) nicht davon abhielt, im Dienstgebäude der Hochschule während des laufenden Betriebs zu sanieren... Ergebnisse der Asbestbelastung "nach der Sanierung" legte sie bis heute nicht vor.
Antje Hadler starb am 22. März 2021 plötzlich in einem evangelischen Hospiz, obwohl zwei Tage zuvor noch eine weitere Chemo-Therapie vorbereitet worden war - nachdem eine katholische Palliativstation ihr leidendes Leben wochenlang zu einer Hölle gemacht hatte.
Sie hätte noch...
Sie hätte vielleicht noch ein Buch über die erlebte Bigotterie und Anmaßungen geschrieben, zumal sie während ihres Studiums in Hamburg die Leidensgeschichte des Professor*innen-Paares Reinhard und Anne-Marie Tausch aus der Nähe erlebte.
Vielleicht hätte sie es in "ihrem" Nachttischbuch-Verlag veröffentlicht, der nach ihrem Willen stets den Mut haben sollte, auch unpopuläre Themen oder gegen die gängigen Auffassungen zu veröffentlichen. Und Menschen "von ihren Leiden erlösen", "selbstbestimmt sterben", "niemandem zur Last fallen wollen" sind erschreckend populäre Phrasen, unter denen sie litt.
Im Sommer 2023 erscheinen stattdessen hoffentlich zwei Titel im Nachttischbuch-Verlag, die das einstige Tabu- bzw. das überraschende Mode-Thema Hospiz und "menschenwürdiger Tod" allerdings provokativ (statt wie üblich: scheinbar teilnahmsvoll faselnd) aufgreifen.
Antje Hadler, die sich vor Beerdigungsritualen stets wie vor anderer Reglementierungswut gefürchtet hatte, wurde erst drei Wochen nach ihrem Tod beerdigt - weil die Berliner Verwaltung, vorgeblich "wegen Corona", auf manchen Friedhöfen nur an einem Vormittag pro Woche Bestattungen durchführt.
Sie wurde von der Verwaltung auf Eis gelegt, wie fast ihr gesamtes Berufsleben. |